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Bibliothekswesen und Bibliographie

 

Hanns Wilhelm Eppelsheimer (1890–1972)
von Uwe Jochum
 

      Hanns Wilhelm Eppelsheimer (1890–1972)
      Hanns Wilhelm Eppelsheimer (1890–1972) © Foto Pieperhoff

Aufgrund des nationalsozialistischen "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" musste der als Sozialdemokrat geltende Hanns Wilhelm Eppelsheimer am 30. September 1933 sein Amt als Direktor der Landesbibliothek in Darmstadt aufgeben. Damit endete vorerst zwar seine Karriere als Bibliothekar, aber seine Karriere als Bibliograph begann: Auf Vorarbeiten aus der Zeit seines Mainzer Oberbibliothekariats zurückgreifend, veröffentlichte er bei Klostermann von 1935 bis 1937 in sieben Lieferungen das Handbuch der Weltliteratur, das – wie es im Vorwort hieß – es unternahm, "das zu Weltgeltung und Weltwirkung gelangte Schrifttum der Kulturvölker, die großen (und manchmal auch nur) kennzeichnenden Literaturdenkmäler der Zeiten, zu sammeln und zu ordnen, ihre Ausgaben und Übersetzungen und die wichtigsten über Verfasser und Werke erschienenen Betrachtungen in knapper, zuverlässiger Auswahl zusammenzustellen".

Natürlich war ein solches Werk angesichts der politischen Umstände der späten dreißiger Jahre nicht ohne Risiko, denn es musste, wollte es seinen Ansprüchen genügen, dem Regime unliebsame Autoren wie Heinrich Heine und Karl Marx berücksichtigen und konnte auch in der Sekundärliteratur nicht ohne jüdische Verfasser auskommen. Aber ein solches Werk war auch, wie sich rasch herausstellte, ein ökonomisches Risiko: der Absatz des Buches blieb zunächst weit hinter den Erwartungen zurück, und das brachte den noch jungen Verlag derart ins Straucheln, dass er im Herbst 1938 seinem Autor statt der Auszahlung des Honorarguthabens einen Wechsel anbieten musste. Gerettet haben den Verlag ausgerechnet Bibliotheken der NSDAP, die im Jahre 1941 die gesamte restliche Auflage des Handbuchs erwarben und damit das Werk doch noch zu einem Verkaufserfolg machten. Ein Erfolg übrigens, der nach dem Krieg noch zwei weitere Auflagen des Handbuchs möglich machte.
 

Clemens Köttelwesch und Klaus-Dieter Lehmann      
Clemens Köttelwesch (1915–1988) und Klaus-Dieter Lehmann (*1940) © privat      

Mit dem Handbuch war Hanns W. Eppelsheimers bibliographischer Elan indessen keineswegs erlahmt. Vielmehr verbindet sich mit seinem Namen das monumentale Programm einer Bibliographie der deutschen Literaturwissenschaft, deren erster Band, im Jahr 1957 bei Klostermann erschienen, den Zeitraum von 1945 bis 1953 umfasste und nichts Geringeres beabsichtigte, als die deutsche Literaturwissenschaft durch ein geeignetes bibliographisches Nachweisinstrument enger an die Nachbardisziplinen, die aktuelle Diskussion und die neueste Dichtung zu binden. Dem Bedürfnis nach Aktualität kam man dadurch entgegen, dass ab dem zweiten Band Clemens Köttelwesch die Bearbeitung übernahm und die bibliographischen Nachweise sukzessive an die Gegenwart heranführte, während die Forderung nach disziplinärer Integration im Jahr 1969 durch die Einbeziehung der germanistischen Linguistik verwirklicht wurde. Den Erfolg des Werkes mag man nicht nur daran ablesen, dass es bis heute ohne finanziellen Zuschuss von dritter Seite auskommt, sondern auch daran, dass es unter dem Namen seiner beiden wichtigsten Bearbeiter als "Eppelsheimer-Köttelwesch" längst zu einem Markenzeichen geworden ist.

Indessen entfaltete Hanns W. Eppelsheimer nach dem Krieg nicht nur eine unermüdliche Tätigkeit als Bibliograph, sondern kehrte auch in seinen Beruf als Bibliothekar zurück, um zusammen mit seinem Verleger eine maßgebliche Rolle bei der Gründung der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main zu spielen: Während Eppelsheimer als Gründungsdirektor sich der organisatorischen Probleme des neuen Instituts annahm, sorgte Vittorio Klostermann als Vorstandsmitglied der Hessischen Buchhändler-Vereinigung und später als Vorsitzender des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels dafür, dass die Deutsche Bibliothek von Seiten der Buchhändler die notwendige Unterstützung erfuhr und mit der Arbeit an der Deutschen Bibliographie begonnen werden konnte.

Trotz dieser großen gemeinsamen Erfolge wurden die Beziehungen zwischen Autor und Verleger in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre auf eine schwere Probe gestellt, als Eppelsheimer die Geschichte der europäischen Weltliteratur, die Klostermann wohl als Seitenstück zum Handbuch der Weltliteratur betrachtet hatte, beim Verlag Insel und nicht bei Klostermann veröffentlichte und darüber hinaus die gemeinsame Arbeit an dem lange projektierten und mit DFG-Mitteln in Angriff genommenen Handbuch der deutschen Literatur im August 1968 eingestellt werden musste. Die Probe scheint jedoch bestanden worden zu sein, denn seinem im Jahr 1971 bei Klostermann in zweiter Auflage erschienenen Petrarca-Buch gab Hanns W. Eppelsheimer den „aufrichtigen Dank" an seinen Verleger mit.

 

 

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