Dienstrecht, politische Betätigung und Disziplinierung der Richter in Preußen, Baden und Hessen 1866–1918
1994. XVI, 744 Seiten, 2 Karten. Ln € 59.-
ISBN 978-3-465-02633-4
Ius Commune Sonderheft 65
Für Bismarck war das "liberale Kreisrichtertum" ein Schreckgespenst seiner ersten Amtsjahre. Richter spielten im preußischenVerfassungskonflikt von 1862-66 wie schon zuvor eine führende Rolle in der Opposition gegen den autoritären Obrigkeitsstaat. Ein halbes Jahrhundert später, im wilhelminischen Deutschland, galt die Richterschaft als gezwungenermaßen streng monarchistisch, politisch reaktionär oder aber unpolitisch, machte sie durch "Klassenjustiz" und "Weltfremdheit" von sich reden.
Der Autor versucht nicht nur zu klären, wie es zu diesem Umschwung kommen konnte, sondern untersucht weitergehend die Frage, ob das gängige Bild denn stimmt, oder ob sich z. B. Unterschiede zwischen Preußen und den liberal regierten Staaten Süddeutschlands finden lassen. Hierzu wird ausführlich das politisch relevante Richterdienstrecht von Preußen, Baden und Hessen-Darmstadt und die öffentliche Diskussion um "Richteramt und Politik" zwischen 1866 und 1918 behandelt. Auf einer breiten Datengrundlage wird dann der Umfang der politischen Betätigung von Richtern in den drei Staaten verglichen. Der Hauptteil der Arbeit wendet sich der Sanktionspraxis und Personalpolitik in der preußischen, badischen und hessischen Justiz zu. Hierbei wird auch auf die Politik gegenüber den Angehörigen konfessioneller und nationaler Minderheiten eingegangen. Auf der Basis gründlichen Aktenstudiums kommt der Autor zu Ergebnissen, die das herkömmliche Bild der wilhelminischen Justiz erheblich differenzieren und zum Teil überraschend modifizieren. Der Text wird ergänzt durch Graphiken und Tabellen, fast 300 Kurzbiographien politisch bedeutsamer Richter, ein ausführliches Stichwortregister und zwei Karten zur Gerichtsorganisation im Kaiserreich.