Ein wissenschaftsgeschichtlicher Beitrag zum Verhältnis von Politik und Recht im 19. Jahrhundert
2005. X, 206 Seiten. Kt 39,00 €
ISBN 978-3-465-03427-8
Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Band 189
Wann immer es darum geht, politische Handlungen als geradezu rechtsfeindliche Machtdemonstrationen zu brandmarken, ist eine Wortschöpfung August Ludwig von Rochaus (1810 - 1873) in aller Munde: "Realpolitik" gilt als Ausdruck einer neumachiavellistischen Machtlehre, die ihre Handlungsanweisungen nicht etwa dem Recht entnimmt, sondern das Faktum zur allein normbestimmenden Größe erhebt.
Ganz in diesem Sinne sprechen (Rechts)Historiker gerne vom Beginn einer "realistischen Wende" (Nipperdey), wenn von Rochaus berühmtester Publikation, den 1853 erstmals erschienenen "Grundsätzen der Realpolitik" die Rede ist: Die Abhandlung bringe die Enttäuschung über das Scheitern der Märzrevolution zum Ausdruck, gebe die politischen Ideale des Liberalismus weitestgehend auf und stimme den "Hymnus eines vulgarisierten hegelianischen Staatsidealismus" (Wehler) an, den vor allem Bismarcks Blut-und-Eisen-Ideologie bereitwillig aufgegriffen habe.
Dass sich diese Zuschreibung bei genauer Analyse des Gesamtwerkes Rochaus als historische Legende erweist, an deren Anfang Heinrich von Treitschkes 'Blitzstrahltopos' steht, ist das Fazit dieser Untersuchung. Sie versucht vor allem, Rochaus Arbeiten als ein zentrales Kapitel aus der Wissenschafts- und Theoriegeschichte des Verhältnisses von Recht und Politik im 19. Jahrhundert zu erläutern und ihre Position innerhalb der rechts- und staatswissenschaftlichen Literaturlandschaft zu bestimmen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Vergleich zum Positivismus Auguste Comtes, an dessen "Système de Politique Positive" sich der methodengeläuterte Liberale Rochau deutlich angelehnt hat.