Francis Pasche: Über eine verkannte (?) Funktion der Projektion. Perseus und Medusa, Wolfson und Schreber
Zusammenfassung
Francis Pasche zeigt, dass die Denk- und Vorstellungsaktivität eine Spiegelungs-schutzfunktion gegen die psychotische Angst hat, welche eine Kardinalerfah-rung der Psychose bildet. Zwei virtuelle Schirme sind zwischen der Realität und dem Subjekt notwendig. Die psychotische Projektion könnte zum Ziel haben, eine möglichst hermetische Schranke zwischen dem anderen und dem Selbst zu schöpfen. Francis Pasche illustriert diese Hypothese anhand des Wiederlesens der Schriften von Wolfson (Le schizo et les langues, 1970) und des Senatspräsi-denten Schreber.
Summary
Francis Pasche shows that the activity of thought and of representation has the function of a »reflection« of protection against psychotic anxiety, which is a cardinal experience of psychosis. There have to be two virtual screens between reality and the subject. Psychotic projection has as its aim to create an as water-tight as possible barrier between the other and the self. Francis Pasche illustrates this hypothesis through a rereading of Wolfson (Le schizo et les langues, 1970) and President Schreber’s writings.
Laurence Kahn: In andere psychoanalytische Sprachen übersetzen
Zusammenfassung
Die Koexistenz höchst unterschiedlicher psychoanalytischer Theorien ist not-wendigerweise eine Quelle von Konflikten, nicht so sehr mit unseresgleichen, sondern vielmehr innerhalb unserer vielfältigen inneren Referenzen selbst. Die-se Unstimmigkeiten beruhen auf der Unmöglichkeit, die psychoanalytischen Sprachen untereinander zu übersetzen. Weit entfernt davon, ein Handicap zu sein, unterstützt diese babylonische Uneinigkeit – für die sogar die Übersetzung unseres Kongresstitels ein Beleg ist – eine Form von Unruhe, die der grundlegenden Sonderbarkeit der psychoanalytischen Praxis inhärent ist.
Summary
The coexistence of the most varied psychoanalytic theories necessarily generates conflicts not so much with our peers but rather within our internal mul-tiplicity of references. These disputes stem from the impossibility to translate one psychoanalytic language into another. Far from being a disability, such a Babelian discord – as evidenced by the very translation of our Congress title – underlies a form of disquiet that is inherent in the foundational strangeness of psychoanalytic practice.
Annie Élisabeth Aubert: Zwischen Maghreb und Europa
Zusammenfassung
Der Artikel untersucht drei Romane, die auf der psychischen Arbeit ihrer Autoren als Adoleszente basieren: Assia Djebar, Faïza Guène und Jonas Hassen Khemiri. Diese Romane sind aus Konflikten zwischen den verschiedenen Sprachen erwachsen, wurden in Auseinandersetzung mit diesen Sprachen geschrie-ben und können als »kulturelles Laboratorium« gelten, innerhalb dessen die Auseinandersetzung mit dem Trauma der Kultur stattfindet, das in die Beziehungen zwischen Europa und dem Maghreb eingeschrieben ist: Sie arbeiten an der Historisierung der Sprache und verleihen den Prozessen aus Transmission und Re-Transmission zwischen den Generationen die entsprechende Komple-xität.
Summary
The article examines three novels based on their authors’ psychic work dur-ing adolescence: Assia Djebar, Faïza Guène, and Jonas Hassen Khemiri. These novels, born out of the conflicts between the different languages, are written in an exploration of these languages and can be considered as a »cultural laboratory« within which to engage with the trauma of culture inscribed in relations between Europe and the Maghreb: They are working on the historicization of language and give the processes of transmission and re-transmission between the generations the corresponding complexity.
Yvonne Frenzel Ganz: Einen Narren am Quantitativen und Identitären gefressen« Rendezvous mit Michel de M’Uzan und seinem Werk
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit stellt den französischen Psychoanalytiker Michel de M’Uzan vor und umreisst sein Denken und sein Werk. Der Fokus liegt dabei nicht auf de M’Uzans Beiträgen zur Psychosomatik, sondern auf seinen im deut-schen Raum weniger bekannten Essays zur psychoanalytischen Theorie und Technik. Nach Darlegung einiger theoretischer Prämissen des Autors wird im Speziellen sein Sprachduktus gewürdigt. Durch dessen Verständnis erschliesst sich ein Zugang zu de M’Uzans Denken. Die bildhafte Sprache, in der er sowohl theoretisiert als auch Deutungen formuliert, ist in der Nähe des Vorbewussten angesiedelt und macht selbst vor poetischen Wortschöpfungen nicht Halt. Der essayistische Schreibstil ist auch von persönlichen Erfahrungen geprägt, in denen der Trieb in seiner quantitativen Ausprägung immer präsent ist und das Identitätsgefühl berührt wird. Über seine Sprache eröffnet de M’Uzan der Leserin, dem Leser die innere Kohärenz seiner Gedankenwelt. Das Quantita-tive und das Identitäre als zentrale Begriffe in der Theoriebildung werden dargelegt. Die Prävalenz des Ökonomischen ist bei den sogenannten Grenzfällen zentral, was mit Fallvignetten illustriert wird. Diese Prävalenz bestimmt den Heilungsbegriff des Autors. Es geht de M’Uzan weniger um das Aufdecken des Unbewussten als um eine Veränderung in den libidinösen Besetzungen. Dies hat Konsequenzen für die Deutungstechnik: Die Erschütterung der Ökonomie wird zum Ziel, eine permanente Unruhe ist gewünscht. Das Identitäre als Element der de M’Uzan’schen Konzeptualisierungen ist im narzisstischen Register beheimatet. Es tangiert das Subjekt in Phasen des Übergangs, unter anderem bei Trauerprozessen, bei nahendem Tod und in der analytischen Situation. Die Notwendigkeit eines Doppelgängers, Depersonalisation, unsichere Ich-Grenzen und identitäres Schwanken kennzeichnen diese Prozesse. Anhand klini-scher Beispiele werden das mentale Funktionieren des Analytikers, die paradoxe Aktivität in der Sitzung veranschaulicht. Diese Aktivität führt bei Grenzfällen zur Schaffung eines neuen Wesens, der Chimäre, die sowohl aus dem Mund des Analytikers als auch aus jenem des Patienten das Wort ergreift.
Summary
This paper presents the French psychoanalyst Michel de M’Uzan and outlines his thinking and his work. The focus lies not so much on de M’Uzan’s writ-ings on psychosomatics but rather on his essays on psychoanalytic theory and technique – essays which are hardly known in the German speaking part of Europe. After some theoretical premises set by the author the paper especially honours de M’Uzan’s use of language which shows us the way to his think-ing. De M’Uzan’s pictorial language which he uses to theorize and to inter-pret is located near the preconscious and does not even stop at creating poetic words. His essayist way of writing is also characterized by personal experience in which drive in its quantitative shaping is always present and identity feeling is touched. Through his language de M’Uzan discloses to the reader the interior coherence of his world of thought. The quantitative and the identical are shown as crucial terms in theory formation. The prevalence of the economic is crucial for so called borderline cases, a fact which is illustrated by clinical examples. This prevalence determines de M’Uzan’s definition of healing. He aims not so much at uncovering the subconscious than at a changement in libidinous cathexis. There are consequences on the technique of interpretation: The disruption of the economic is aimed at, a permanent unrest is wished for. The identical as an element of de M’Uzan’s conceptualizations is located in the narcissistic field. It touches the subject in moments of crossing, i. e. when mourning, when nearing death or in an analytic setting. The process is marked by the need of a double, by depersonalisation, by uncertain ego borders and by wavering identity. Clinical examples show the mental functioning of the analyst as well as some paradox activity in the analytic session. In borderline cases this sort of activity leads to creating a new being called chimera which starts speaking through the mouth of the analyst as well as through the patient’s mouth.
Christoph Zimmermann: Freud 100/Lacan 50. Wo ist das Wissen des Unbewussten?
Zusammenfassung
Die späten Sechzigerjahre waren theoretisch wie institutionspolitisch eine ebenso schwierige wie produktive Zeit für Lacans Lehre. Der Autor versucht, Lacans beginnende Akzentverschiebung vom Symbolischen zum Realen hin nicht bloss inhaltlich, sondern auch konzeptuell spürbar zu machen. Deshalb wird die Verbindung von Lacans Schlüsseltext von 1967 zu Freud nicht nach den Regeln des akademischen Diskurses gesucht.
Summary
The late sixties were a period as difficult as productive for the teaching of Lacan, as well in the theoretical as in the institutional field. The author tries to make perceptible Lacans beginning shift of emphasis from the Symbolic to the Real not only in content, but also in his conceptual approach. This is why the link of Lacan’s key text from 1967 to Freud is not sought after according to the rules of academic discourse.