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Peter Trawny: Der Selbstmord der Philosophie

Hawkings Äußerung wäre nur dann zutreffend, wenn Philosophie eine Wissenschaft in seinem Sinne wäre, wenn sie sich genau wie die Naturwissenschaften an den natürlichen Rätseln des Universums abarbeiten würde. Ob die Philosophie so, wie sie bei Platon und Aristoteles entsteht, diese Bedingung erfüllt, ist fraglich. „Tot“ im Sinne Hawkings war die Philosophie wahrscheinlich die meiste Zeit.

Freilich behauptet eine nicht geringe Anzahl von Philosophen und Philosophinnen, dass die Philosophie eine „Wissenschaft“ sei. Sie muss das schon deshalb tun, weil sie sich an einer Institution der Wissenschaft lokalisiert. Dann aber gerät sie notwendig in eine Konkurrenz zur Naturwissenschaft. Diese kann sie – wie z.B. bei Husserl zu sehen ist – nicht bestehen. Die Naturalisierung der idealistischen Denkentwürfe einerseits durch die Philosophy of Mind, andererseits durch die bloße Neurologie ist aufschlussreich.

Klüger scheint mir, auf das stets problematische Verhältnis der Philosophie zur Wissenschaft hinzuweisen. Während die Wissenschaften in ihren Auffächerungen an den Universitäten jeweils über klare Gegenstände verfügen müssen, hält sich die Philosophie für die Frage offen, welchen Gegenstand sie hat, ja ob sie überhaupt einen hat.

Das wirft ein Licht auf die Frage nach dem Ort der Philosophie. Gewiss geben die Akademie und die Universität die Möglichkeit, sich mit dem Erbe der Philosophie zu beschäftigen. Hier könnten sich die Philosophinnen und Philosophen also ausbilden. Nichts aber ist auch prekärer als diese Möglichkeit. Der heutige Zustand der deutschen Universitäten gleicht dem einer ökonomisch-technokratischen Disziplinierungsanstalt. Man fragt sich, ob sie das Ziel hat, kreative und originelle Denkansätze zu verhindern. Es herrscht ein ökonomischer Wettbewerb, in dem ein stabiles Mittelmaß die fragile Ausnahme dominiert. Der singuläre, häufig als „umstritten“ marginalisierte Entwurf wird den Kompetenzen der Teamfähigkeit und des Organisationstalents geopfert. Dabei ist die Philosophie nur dort produktiv, wo es ihr erlaubt ist, an ihrem eigenen Ast zu sägen, d.h. wo sie es vermag, ihren Ort im Betrieb kritisch zu reflektieren, indem sie ihn, den Betrieb, selbst kritisiert. Nur so wäre die Lebendigkeit der Universitäts-Philosophie zu gewährleisten.

Die Universität braucht nicht notwendig eine unphilosophische Institution zu sein. Sie ist es aber heute. Wer von den aktuellen deutschen Universitäts-Philosophinnen und -Philosophen lässt uns noch staunen?  

 

Peter Trawny ist außerplanmäßiger Professor an der Bergischen Universität Wuppertal und Leiter des Martin-Heidegger-Instituts.

Kommentare: 1

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Jörg Phil Friedrich |
AW: Peter Trawny: Der Selbstmord der Philosophie
Die Universitäten sind dazu da, Master of Arts auszubilden, die dann in den Redaktionen der Medien oder den Büros der Abgeordneten tätig werden. Die dort leherenden sind also zuallererst Berufsschullehrer. Das ist die natürliche Konsequenz der tatsache, dass über 50% der Schulabgänger heute die Universitüten besuchen - sie werden Wissensarbeiter.

Die Berufsausbildung ist nicht zwingend eine Einübung ins Philosophieren, sie soll vor allem Bildung bereitstellen, Wissen, das später abrufbar ist, zudem ein paar Fähigkeiten, insbesondere die, vernünftig schreiben un deinigermaßen klar argumentieren zu können. Die Lehrer, die diese Ausbildung durchführen, müssen also auch nicht notwendig Philosophen sein, wenn man damit meint, dass ihre wesentliche Lebensbeschäftigung im Philosophieren besteht.

Allerdings ist es auch nicht ausgeschlossen dass sie es sind - und die Gesellschaft erwartet es. Philosophische Antworten in den Rundfunkanstalten, in Vortragsveranstaltungen und in den Bücherläden werden von Menschen erwartet, deren wichtigste kennzeichnung in dem Satz "AB ist Rofessor für x Philosophie an der YZ-Universität" besteht - das kann man ja bei den Beiträgen hier zur Diskussion sehr schön ablesen.

Wenn akademische Philosophie sich als anspruchsvolles, anstrengendes, unbequemes und mühseliges Unterfangen verstehen will, das trotzdem notwendig ist (und welcher Philosoph wäre nicht im tiefsten Innern davon überzeugt, dass die Gesellschaft philosophische Reflexion bitter nötig hätte), dann muss sie den Lehrbetrieb verlassen, und die, die ihr die anbindung an die Gesellschaft ermöglichen, Verlage, Medien, Veranstaltungsorganisatoren, müssen bereit sein, ihr zu folgen. Das heißt nicht, dass Universitätsprofessoren auszuschließen wären, im gegenteil. Aber auch diese müssen außerhalb ihrer "Universitäten" philosophieren, dort debattieren, denken, Seminare machen, die in der Universität gar nicht mehr möglich wären, weil sie keine Punkte bringen würden, keine Evaluierung bestehen würden. Da liegt m.E. die Zukunft der akademischen Philosophie. Ihre Akademie ist nicht an der Universität beheimatet, und ihre Mitglieder werden nicht nur Hochschulprofessoren sein.
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