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Walter Schweidler

– Die Kommunikationslücke zwischen Philosophie und Naturwissenschaften ist in der Tat ein großes Handicap für die Weiterentwicklung des philosophischen Denkens. Aber sie fällt beiden Seiten zur Last. Lee Smolin hat in seinen Büchern immer wieder betont, wie nachteilig es für die Physik ist, dass ihre heutigen Hauptvertreter nicht mehr philosophisch interessiert und orientiert sind wie es einst Heisenberg, Bohr und Einstein waren. Wir haben heute einen Zustand von weitgehender philosophischer Borniertheit auf Seiten einer kritischen Masse physikalischer und biologischer Forscher. Hier zeigt sich aber nicht zuletzt eine Sackgasse, in welche die Philosophie durch eine einseitige und unreflektierte Orientierung an der naturwissenschaftlichen Methode geraten ist, von der Wittgenstein sagte, dass sie die Hauptquelle der philosophischen Verwirrungen sei und den Philosophierenden „in völliges Dunkel“ führe. Wo die Naturwissenschaft philosophisch wird, kann sie nicht nach dem Schema kausaler Erklärung von Wirkungen durch Ursachen denken. Was hilft? Von philosophischer Seite ein erneuertes, aus den „analytischen“ Engführungen befreites Studium von Wittgenstein und der strukturalistischen Methode in den Sozialwissenschaften, die das Paradigma nichtkausaler Erklärungskraft bietet; und viel Thomas S. Kuhn!

– Zur Selbstverortung der akademischen Philosophie in dem von Ihnen skizzierten Fadenkreuz kann man nur sagen, dass alle irgendwie bedeutenden Philosophen zumindest in der westlichen Kultur im Lauf der letzten Jahrhunderte Professoren waren. Selbst die eigenwilligsten und innovativsten Denker wie Wittgenstein, Lévi-Strauss oder Foucault sind eifrige Lehrer mit lebenslang engagiertem Schülerkreis gewesen. Mein Lehrer Robert Spaemann ist für mich das unrelativierbare Beispiel dafür, dass man einen wahren Philosophen an der Universität finden kann und muß.

– Eine der innovativsten und zukunftsträchtigsten Entwicklungen der gegenwärtigen Philosophie ist die Erschließung der buddhistischen, hinduistischen, daoistischen und islamischen Quellen echten Philosophierens als nicht geistesgeschichtlich erstickte Vergleichsobjekte „unseres“ Denkens, sondern als konkurrierende Wahrheitsquellen jeglichen universal legitimierbaren rationalen Argumentierens. Seit einem Vierteljahrhundert hat sich eine Gemeinschaft innovativer, auf philologischer und philosophischer Kompetenz basierender interkultureller Philosophen gebildet (ich nenne als Nichtexperte nur die zufällig mir bekannten Namen Rolf Elberfeld, Raji Steineck, Mathias Obert, Jens Schlieter, Heiner Roetz, Hans-Georg Möller), die sich gegen viele beidseitige Vorurteile an den Platz vorangekämpft haben, der letztlich die einzige objektive Indikation für Qualität bietet: den des akademischen Lehrers und Forschers.

 

Walter Schweidler ist Professor für Philosophie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Kommentare: 1

Kommentare: 1

Jörg Phil Friedrich |
AW: Walter Schweidler
"ur Selbstverortung der akademischen Philosophie in dem von Ihnen skizzierten Fadenkreuz kann man nur sagen, dass alle irgendwie bedeutenden Philosophen zumindest in der westlichen Kultur im Lauf der letzten Jahrhunderte Professoren waren."
Marx? Nietzsche? Sartre?

Vielleicht sollte man sagen: Die meisten in der westlichen Kutur wahrgenommenen Philosophen waren Professoren. Wobei, wenn man die Fälle dann genauer ansieht, man eben feststellt, dass die wenigsten Hochschullehrer im Sinne der Bologna-Universität waren.

"elbst die eigenwilligsten und innovativsten Denker wie Wittgenstein, Lévi-Strauss oder Foucault sind eifrige Lehrer mit lebenslang engagiertem Schülerkreis gewesen."

Wittgestein ist ein schönes Beispiel, das eigentlich das Gegenteil von dem beweist, was Sie zeigen wollen. Der war zuerst ein bedeutender Philosoph, er schrieb ja den Tractatus als sehr junger Mann, und wurde, eher nebenher, dann Professor. Wobei sein Tractatus als Dissertationsschrift akzeptiert wurde, was heute schlicht undenkbar wäre.
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