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Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie

 

Wissenschaftliche Reihen
von Alexander Hollerbach


 

    Helmut Coing (1912–2000)
      Helmut Coing (1912–2000)
© Alexander Bopp, Frankfurt


So eng Erik Wolf mit Vittorio Klostermann verbunden war und so sehr er in der frühen Verlagsgeschichte qua Jurisprudenz eine Schlüsselposition einnahm, so sehr versteht es sich, dass der Verleger sich, wenn man so sagen darf, einer Monokultur versagen musste. Das läßt sich zunächst schon an der weiteren Abfolge der rechts- und staatswissenschaftlichen Reihe im Rahmen der Frankfurter Beiträge ablesen. Die Serie der Nachkriegsbände begann hier mit einem der wichtigsten Werke zur neueren Wissenschaftsgeschichte überhaupt, nämlich mit Hugo Sinzheimers Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft (1953). Die Reihe wurde dann bis zum 24. Band weitergeführt, und man begegnet hier so renommierten Autoren wie Adalbert Erler, Hermann Dilcher, Othmar Jauernig und Ekkehard Kaufmann. Frankfurter Produkte enthält auch die seit dem Jahr 1952 erscheinende Reihe der Schriften des Instituts für Ausländisches und Internationales Wirtschaftsrecht. Ihre ursprünglichen Herausgeber waren Helmut Coing, Walter Hallstein, Hermann Mosler und Hans-Jürgen Schlochauer.

Der spezifische Bezug zu Frankfurt am Main kommt schließlich zum Ausdruck in der Reihe der Sammelbände Ius Commune, den Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte, für das Klostermann zum Hausverlag geworden ist. Seit einigen Jahren versteht sich Ius Commune förmlich als jährlich erscheinende Zeitschrift für Europäische Rechtsgeschichte und wird von Dieter Simon und Michael Stolleis herausgegeben. Insbesondere aber blüht die Reihe der parallel erscheinenden Ius Commune Sonderhefte; hier ist man mittlerweile bei Nr. 138 angelangt. Auch die von Dieter Simon herausgegebenen Forschungen zur byzantinischen Rechtsgeschichte gehören in diesen Zusammenhang. Damit wird deutlich, dass die Rechtsgeschichte – unter besonderer Berücksichtigung der geschichtlichen Rechtsvergleichung – ihren Anteil an der Verlagsproduktion immens gesteigert hat.
 

Fritz von Hippel und Vittorio Klostermann    
Fritz von Hippel (1897–1991) und Vittorio Klostermann © privat    

Blickt man von hier aus noch einmal zurück, so ist offenkundig, dass sich nach dem Krieg zunächst eher die Rechtsphilosophie anschickt, ihren Akzent im Rahmen der Verlagsproduktion zu verstärken. So fanden – außer Erik Wolfs Recht des Nächsten (1958) – von diesem geförderte Arbeiten von Werner Maihofer, Alexander Hollerbach, Ulrich Hommes und Gerhard Stuby in der schon seit 1935 etablierten Reihe Philosophische Abhandlungen Aufnahme, ehe sich dann die Begründung einer eigenen Reihe Juristische Abhandlungen nahelegte. Diese, mittlerweile auf achtunddreißig Bände angewachsen, wurde mit zwei bedeutsamen Publikationen inauguriert: Gerhart Husserl, Recht und Welt. Rechtsphilosophische Abhandlungen und Fritz v. Hippel, Rechtstheorie und Rechtsdogmatik. Studien zur Rechtsmethode und zur Rechtserkenntnis (beide 1964). Es handelt sich um Arbeiten, die auch unter der Überschrift Juristische Abhandlungen das besondere Engagement des Verlages für die philosophisch-theoretischen Grundlagen des Faches belegen, wenngleich seitdem die dogmatische Rechtswissenschaft stärker vertreten ist. In diesem Bereich ist Wolfgang Naucke ein ebenso wichtiger Autor wie Berater des Verlages.

Auch auf kleinere Schriften darf in diesem Zusammenhang die Aufmerksamkeit gelenkt werden. Man findet sie in der Reihe Wissenschaft und Gegenwart, so etwa Helmut Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems (1962) und Werner Maihofer, Naturrecht als Existenzrecht (1963), eine Reihe, die dann aufgegliedert wurde und in der neben einer geisteswissenschaftlichen Reihe eine spezifisch juristische Reihe steht, die mit Hans-Martin Pawlowski, Gesetz und Freiheit, im Jahr 1969 begonnen wurde.

Ganz zuletzt darf von einem großen Projekt die Rede sein. Auf 32 Bände konzipiert ist das Werk Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung. Verantwortlich dafür zeichnet Hans-Peter Schneider, der seit seiner von Erik Wolf betreuten Dissertation Justitia Universalis. Quellenstudien zur Geschichte des "christlichen Naturrechts" bei Gottfried Wilhelm Leibniz (1967) und seiner ebenfalls in Freiburg i.Br. entstandenen Habilitationsschrift Die parlamentarische Opposition im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland (1974) mit dem Verlag in enger Beziehung steht. Vier Bände sind bis jetzt erschienen. [Im Jahr 2019 liegen 12 Bände vor.] Viele Interessenten vereinigen sich in dem Wunsch auf ein rasches Fortschreiten dieses bedeutenden Werkes.

Schon am 26. Juli 1960 schrieb Vittorio Klostermann am Ende eines Briefes an Erik Wolf: "Im übrigen stelle ich fest, dass in meinem Verlag seit 1945 eine wesentliche Verschiebung eingetreten ist, insofern, als die Titelzahl der juristischen Publikationen bei weitem an der Spitze liegen." Das mag auch in Bezug auf den Tag des siebzigjährigen Bestehens des Verlages so sein. Aber trotzdem ist – im Vergleich mit anderen – Klostermann ein juristischer Verlag der besonderen Art. Seine Mission ist offenkundig nicht das juristische Tagesgeschäft mit Textausgaben, Zeitschriften, Kommentaren und Ausbildungsliteratur, sondern über die Dogmatik des positiven Rechts hinaus das Engagement für die historisch-philosophischen Grundlagen des Faches, und dies im Kontext eines Verlages, in dem sich die Jurisprudenz neben der Philosophie und der Literaturwissenschaft gleichrangig muss behaupten können.

 

 

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