Thier, Andreas: Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen MonarchieStaatssteuerreformen in Preußen 1871–1893
Die Gewichtsverteilung innerhalb des als „bewegliches System" begriffenen institutionellen Gefüges von Abgeordnetenhaus, Herrenhaus und monarchischem Staatsministerium verändert sich im Lauf der Zeit. Insbesondere gewinnt das Abgeordnetenhaus an Einfluß auf den Steuerreformprozeß. Dem entspricht ein Wandel im Selbstverständnis des preußischen Parlamentes, das allmählich zum Forum für den Interessenausgleich von Grundbesitz und beweglichem Kapital wird. Das zeigt besonders deutlich der Funktionswandel des parlamentarischen Budgetrechts, das auch in die Steuergesetzgebung hinein wirkt. In ständigem Wandel begriffen ist auch das Verhältnis zwischen Preußen und dem Reich, das sich in Bismarcks Konzeption einer „föderalen Finanzreform" und ihrem Scheitern widerspiegelt. Doch auch die Zielsetzungen der Steuergesetzgebung selbst verändern sich. Das Steuerrecht verliert seine Fixierung auf die staatliche Ausgabenfinanzierung und wird zur gezielten Einwirkung auf die Sozialverfassung eingesetzt. Doch die Wandlungsfähigkeit der konstitutionellen Monarchie in Preußen ist nicht unbeschränkt. Das wird deutlich im Blick auf die Wahlrechtsverfassung, die eng mit der preußischen Steuerrechtsordnung verknüpft ist. |